Sprechernotizen

Night of Desaster

Es sollte wieder ein großartiger Abend werden – und geriet zum Desaster: Die branchenüblich neudeutsch getaufte „Speakersnight“ ist eigentlich der Höhepunkt des „Kommunikationskongresses“, der 2007 zum vierten Mal in Berlin stattfand und jährlich vom Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) veranstaltet wird. Fast tausend Teilnehmer aus der PR schwelgten diesmal in dem zweitägigen Massenevent, dessen üppige Themenpalette nichts auslässt, was irgendwie von Belang für die Branche sein könnte. Die Inhalte scheinen dann allerdings eher von nachrangiger Bedeutung, wichtige Impulse der Veranstaltung für die Branche sind bisher nicht kolportiert. Dafür aber locken Promis als Zugpferde im Programm, wie etwa Medienanwalt Mathias Prinz, der Bundesfinanzminister, „hart, aber fair“-Moderator Frank Plasberg, ein paar Chefredakteure etc. etc.

Und natürlich, nicht zu vergessen, das alte Prinzip des Sehens und Gesehenwerdens, das Netzwerken, neudeutsch lieber „networking“ genannt. Der „festliche Höhepunkt“ des Ganzen sollte dann also die Speakersnight werden, eine „glamouröse Gala“ (how nice!), wie die Veranstalter selbst angekün-digt hatten. Ein Höhepunkt war es zweifellos, aber nur für solche Gäste, die das, was der Abend dann brachte, unter Realsatire einordnen können. Der erste Akt: Key note speaker Karl einz Kögel, Gesellschafter von Media Control und bekannt vor allem durch seine Promi-Sucht, die er regelmäßig mit seinem „Medien Preis“ befriedigt, ließ seine Rede zu einer albernen Werbeshow in eigener Sache ausufern. Er redete und redete, vor allem über sich selbst und seinen dicken Kumpel Bill Clinton. Selbst laute Pfiffe und demonstratives Niederklatschen konnte ihn nicht bremsen. Der zweite Akt: Die peinliche Verleihung des „Goldenen Apfels“ durch den Pressesprecher-Verband. So wurde Eisbär Knut ausgezeichnet und als „PR-Genie“ (Zitat!) gelobt. Die Begründung klebt an der Zunge wie tief gefrorenes Eis: „Mit Kindchenschema und als Botschafter für die bedrohte Tierwelt gewann Knut die Herzen der Menschen und nun den Kommunikationspreis.“ Damit nicht genug: Eine begehbare Prostata (!) war den PR-Juroren des Verbandes eine Erwähnung für „vorbildliche Kommunikation“ wert. Sieger aber wurde der „XXL Strandkorb“ vom G8-Gipfel in Heiligendamm, der dem Gipfel ein „unverwechselbares Gesicht“ gegeben habe. Aha.

Was das mit PR zu tun hat? Mindestens so wenig wie die Hornbach-Werbe-Kampagne „Women at work“, die der Pressesprecherverband mit dem Bronzenen Apfel für herausragende Kommunikationsleistungen beglückte. Die Empörung über derlei programmatische Gestaltung des Abends war groß. Nicht wenige, denen schließlich das Lachen vergangen war, schüttelten nur noch den Kopf. BdP-Präsident Lars Großkurth – im Hauptberuf PR-Manager für Zigaretten bei Reemtsma – tat zerknirscht. Wenigstens wurde das Gewissen der PR-Branche, Horst Avenarius, für sein Lebenswerk – der Kampf für ethisch saubere PR – ausgezeichnet. Ihm müsste eigentlich die Zornesröte ins Gesicht geschossen sein angesichts dieser Vorstellung von PR.

Alte Bande

Dirk Heerdegen hat einen neuen Job. Im Sommer hatte der frühere Kommunikationschef des Pay TV-Senders Premiere die Brocken hingeworfen – nicht zuletzt auf Grund vielfacher Kritik von Vorstandskollegen des damaligen Vorstandschefs Georg Kofler. Es dauerte nicht lange, da nahm auch Kofler den Hut- und verkündete im Oktober, dass er ein neues Unternehmen gründet, die Gruppe Georg Kofler. Bei Kofler muss es immer eine Nummer größer sein, also heißt es im Press Release (in Rekordlänge!), er strebe eine halbe Milliarde Euro Umsatz und mehr als tausend Mitarbeiter an. Respekt! Jungunternehmer Kofler ließ per PR-Agentur Ergo aus Köln seine großen Ziele verbreiten. Man kennt sich: Ergo arbeitet für die Private Equity Gruppe Permira, die wiederum zu Koflers Zeiten Hauptaktionär von Premiere war. Und es dauerte nur wenige Tage, da sickerte durch, dass Dirk Heerdegen zum 1. Dezember in die Geschäftsführung von Ergo eintritt – und seinen alten Chef betreut. Wa-rum auch nicht? Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat. Also: Good Luck, sagt Dr. Who!

Schweizer Gipfel

Die Suche nach Partnern in der Schweiz scheint für die internationale und auch deutsche Szene der auf Finanzkommunikation spezialisierten Agenturen an Dynamik zu gewinnen. Nach Brunswick und seinem deutschen Chef Thomas Knipp (siehe medium magazin 6/07, S. 79) hat nun auch Herring Schuppener aus Frankfurt die Fühler ausgestreckt. Sie buhlen offensichtlich um eine engere Verbandelung mit Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten – und haben sich damit die vor allem bei Banken führenden Schweizer ausgesucht. Ergebnisse gibt es noch nicht. Das Werben soll aber heftig sein, wie aus Zürich zu hören ist.

PR-Boom bei der Politik

Die Anfrage des eher unbekannten FDP-MdB Volker Wissing macht unsere Branche unversehen schlauer – und zeigt, wie sehr PR an Akzeptanz gewonnen hat, sogar in der Politik. Die Frage lautete: Wie viele Mitarbeiter in den Bundesministerien machen PR? Spitzenreiter beim Ausbau ist das Auswärtige Amt. Im guten alten Bonn beschäftigte das AA zuletzt 45 Mitarbeiter, jetzt in Berlin 113. Das Innenministerium verdoppelte fast von 15 auf 27, das Entwicklungshilfeministerium legte auf 20 Mitarbeiter zu. Immerhin 1,5 Prozent aller rund 18.800 Mitarbeiter in Bundesbehörden sind Öffentlichkeitsarbeiter. Bezogen auf ein Unternehmen wie etwa Siemens hieße das, von den 475.000 Mitarbeitern müssten mehr als 7.000 in der PR arbeiten. Mein lieber Mann …

Bleibt Volker Heck auf dem Posten?

In den Berliner Lobbyisten-Büros spekuliert man derzeit intensiv über das Schicksal von Volker Heck als Kommunikationschef von RWE. Der frühere Cheflobbyist von RWE, der in Berlin einen Ruf als effizienter und kundiger, aber durchaus finten- und intrigenreicher Kollege genießt, war erst Mitte letzten Jahres von Ex-RWE Chef Harry Roels auf den Chefposten der Kommunikation gehoben worden, indem beide Abteilungen – Lobby und Kommunikation-zusammengelegt wurden. Der Holländer ist nun im Ruhestand, und Nachfolger Jürgen Großmann soll auf Heck nicht allzu gut zu sprechen sein. Heck hatte seinen früheren Chef intensiv dabei unterstützt, doch noch eine Vertragsverlängerung hinzubekommen. Allerdings vergebens. Lange tobte die bei RWE nicht unbekannte Auseinandersetzung um die Konzernführung mit reichlich Niederschlag in den Medien. Auch der RWE-Aufsichtsratsvorsitzende, Ex-WestLB-Chef Thomas Fischer, der eigentlich die Dinge friedlich und souverän regeln sollte, machte dabei alles andere als eine glückliche Figur. Die anderen Energieversorger rieben sich fröhlich die Hände. Nun ist der Kampf vorüber. Roels ist zu Hause in Holland, Großmann an Bord – und Heck?

Tschechen für Hillary

Ein aufstrebendes tschechisches Unternehmen könnte zum Pionier für ein neues „campaigning tool“ werden. U-turn, ein Anbieter von Content-Services für Mobiltelefone mit Sitz in Prag und Office im schnee-schönen Denver, scheint kurz vor einer Beauftragung durch Hillary Clintons Wahlkampf-Manager zu stehen. Bekanntlich will Hillary, Bills toughe Gattin, dahin, wo ihr Mann ein paar Jahre war – ins oval office. U-turn soll mit einer neuen Technologie die amerikanischen user von Mobiltelefonen mit Botschaften, Termin-Erinnerungen, community building etc. beglücken. So könnte Hillary sogar am Wahltag per SMS oder noch besser per Video-Botschaft die Bürger noch eben schnell daran erinnern, wählen zu gehen. Ein interaktives tool per Mobiltelefon wäre in der Tat etwas Neues – so könnte man dem Wahlkampf dann gar nicht mehr entfliehen. Wenn es funktioniert, wird es sicher auch bald Eingang in die PR finden. Warten wir`s ab.

PR-Manager des Monats

Dr. Who’s PR Manager des Monats ist Christian Lawrence. Der Kommunikationschef des weltweit zweitgrößten Rückversicherers Münchener Rück führt mit leiser Effizienz seinen Bereich und baut ihn zugleich in einer For
m um, wie es die früher oft als behäbig beschriebene Münchener Rück kaum zuvor gesehen hat. Der weit gereiste PR Mann mit langjähriger Erfahrung im Allianz-Konzern hat sein Unternehmen vor allem in der derzeitigen Finanz-Krise beeindruckend ruhig und mit sicherer Hand durch schwerstes kommunikatives Fahrwasser gelenkt und mit der gelungenen Übernahme-Kommunikation zum Erwerb des amerikanischen Versicherers Midland gezeigt, wie man das so macht. Glückwunsch!

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. eMail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 11/2007 in der Rubrik „Unter „3““ auf Seite 74 bis 83. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.