Wissenschaftsjournalisten 2014: die Laudatio
Wissenschaftsredakteurin Nicola Kuhrt von „Spiegel Online“ laudatiert den Wissenschaftsjournalisten 2014 – Amrai Coen und Malte Henk von der „Zeit“, „Brand Eins“- und „Wired“-Autor Jakob Vicari sowie dem freien „FAZ“- und „FAS“-Journalisten Volker Stollorz:
Jörg Wagner hat die Laudatio und die Dankesrede als Podcast aufgezeichnet.
Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen heute die Wissenschaftsjournalisten des Jahres 2015 vorstellen darf. Doch bevor ich bekannt gebe, welche Kollegen auf besondere Weise wissenschaftliche Expertise bewiesen habe, gestatten Sie mir ein paar kurze einleitende Worte!
Als ich mir die nominierten und ausgezeichneten Beiträge anschaute, wurde mir wieder einmal deutlich, welche bemerkenswerte Entwicklung der Wissenschaftsjournalismus besonders in den letzten Jahren gemacht hat. Weg von der bloßen „Übersetzung“ von Forschungsergebnissen, also weg von „Erklärbär“, hin zu einem wirklich journalistischen Ressort, in dem ebenso kritisch und investigativ mit dem Gegenstand der Berichterstattung umgegangen wird wie in anderen Ressorts auch.
Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen, aber auf einem seht guten Weg. Wissenschaftsjournalisten dürfen nicht nur meiner Meinung nach noch weit aus kritischer sein und sollten sich vielmehr auch die Strukturen der Forschungs- und Gesundheitsysteme anschauen – und somit bin ich auch schon bei Volker Stollorz, der in diesem Jahr den dritten Platz unter den Wissenschaftsjournalisten des Jahres belegt.Ich freue mich sehr, heute einen langjährigen und großartigen Kollegen beglückwünschen zu dürfen, von dem ich viel lernen durfte. Volker Stollorz ist freier Wissenschaftsjournalist, er schreibt für die FAS, die NZZ und Zeit Online. Meist über Medizinthemen. So recherchierte er nach einem aussagekräftigen Transplantationsregister für Leberspenden. Was er fand, waren, wie er das nennt, „Datenfriedhöfe der Medizin“: Volker wollte es besser machen und hat, zusammen mit Kollegen des Heidelberger Instituts für theoretische Studien den OperationsExplorer entwickelt. Die Nutzung des Recherche-Tools für Daten aus der Krankenhausstatistik steht jedem Journalisten offen. Mit ein paar Mausklicks lassen sich rund 18 Millionen Datensätze aus deutschen Krankenhäusern zu Diagnosen und Behandlungen abrufen und visualisieren – so lassen sich Trends und regionale Auffälligkeiten erkennen – etwa, welche unsinnige Operationen in welchem Land gehäuft auftreten.Platz zwei der Wissenschaftsjournalisten des Jahres belegt Jakob Vicari – der Wissenschaftsjournalist schreibt für Brand eins und gehört zum Gründungsteam der deutschen Wired.
Dass es diese Ausgabe gibt, finde ich großartig, gleiches gilt für die Reportagen, die Jakob Vicari verfasst. Dabei ist er eher ein ungewöhnlicher Geist, das merkt man schon in seiner Selbstdarstellung. Tatsächlich hat er in einem Dorf in Sachsen schon mal einen Schatz gesucht und Vicari hat kein Problem damit hat, sein Wohnzimmer auch einmal mit einem Ameisenstaat zu teilen.Nun aber Platz 1. Ich gratuliere Amrai Coen und Malte Henk, die mit „Wie das Virus in die Welt kam“ eine überragende Reportage abgeliefert haben, erschienen in Der Zeit. Es ging um Ebola – eines der Themen im Wissenschaftsjahr 2014.
Während wir anderen aber zu Hause blieben und aus sicherer Entfernung von unserem Schreibtisch berichteten, sind Amrai Coen und Malte Henke dorthin gereist, wo das Virus seinen Anfang nahm. In das Dorf, wo ein Junge einem toten Tier aus dem Busch zu nahe kam. Von dort verfolgten die Beiden den Weg des Erregers, weiter nach Sierra Leone, später weiter nach Freetown, Westafrika.
Am Anfang stand eine ganz normale Redaktionskonferenz, ein „man müsste eigentlich mal“. Ein Sondertraining für Journalisten in Krisenlagen und einige Vorbereitungen später, saßen Coen und Henke im Flugzeug. Sie recherchierten vor Ort, die Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, begleitete sie bei jedem Schritt. Auch nach ihrer Rückkehr blieb es lang ein Thema, die Reaktion ihres Umfelds war prägend. Darüber werden die Zwei sicher gleich noch etwas sagen.Was an ihrer Reportage auffällt, ist nicht nur die Akribie der Recherche sondern auch die brillante Umsetzung. Eine literarische Annäherung an das Phänomen Virus – denn die Frage bleibt: Will es etwas, das Virus? Will es Menschen töten? Nein, schreiben Coen und Henke – es will existieren.
Mein herzlicher Glückwunsch für eine großartige Leistung an Amrai Coen und Malte Henke!
Ich zitiere: „Vielleicht findet es eine neue dauerhafte Heimatstatt – im Menschen. Es müsste nur schaffen, länger in uns zu zirkulieren. Es müsste seine Gefährlichkeit verringern.“ Irgendwann könnte Ebola dann eine Krankheit werden, die bleibt, ein Begleiter des Menschen, wie Herpes, Masern oder Grippe.
Eine wünschenswerte Entwicklung.
Hier geht es zur Laudatio auf die Gewinner in der Kategorie Sport.