Die Journalisten des Jahres 2011
Der Ehrentitel „Journalist des Jahres“ geht 2011 an das Autorenduo Eckart Lohse und Markus Wehner, Politikredakteure der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (Foto: Götz Schleser). Zum 8. Mal hat eine rund 70-köpfige Fachjury der Branchenzeitschrift „medium magazin“ die „Journalisten des Jahres“ gewählt – zudem in zehn Fachkategorien. Außerdem werden jeweils die Redaktionen des Jahres geehrt und ein Lebenswerk-Preis verliehen.
In den zehn Fachkategorien siegten:
1. CHEFREDAKTEUR: Wolfgang Blau, Zeit Online
2. POLITIK: Andrea Röpke, freie Journalistin
3. WIRTSCHAFT: Heike Faller, Zeit-Magazin
4. KULTUR: Willi Winkler, freier Autor (u.a. Süddeutsche Zeitung)
5. UNTERHALTUNG: Thomas Gottschalk, ZDF-Moderator (ab 1.1.2012 ARD)
6. SPORT: Arnd Zeigler, freier Journalist (u.a. Radio Bremen, WDR)
7. WISSENSCHAFT: Dagmar Röhrlich, freie Journalistin (u.a. Deutschlandfunk)
8. REPORTER: Stefan Buchen, freier Journalist (NDR/ARD)
9. REGIONAL/LOKAL:
> Chefredakteur: Christian Lindner, „Rhein-Zeitung“
> Autorin: Christine Kröger, „Weserkurier“
10.NEWCOMER: Richard Gutjahr, freier Journalist (Bayrischer Rundfunk)(Die Jury-Begründungen finden Sie weiter unten im Text)
Eckart Lohse und Markus Wehner werden als „Journalisten des Jahres“ ausgezeichnet für ihre akribische und unbestechliche Berliner Politikbeobachtung,
die 2011 in ihrer Guttenberg-Analyse gipfelte: Während der Medien-Mainstream den damaligen Verteidigungsminister als neue Lichtgestalt der deutschen Politik feierte,
recherchierten die beiden über zwei Jahre hinweg hartnäckig und unbeeinflusst von vorgefassten Meinungen für ihre Biografie über Karl Theodor zu Guttenberg. Das
Ergebnis war eine tiefgründige, kritische Analyse von Person und Politik, die von bestem, unabhängigen Journalismus zeugt und die Berichterstattung von FAZ und
FAS in der Causa Guttenberg erheblich stützte.
Den Ehrenpreis „Lebenswerk“ erhält in diesem Jahr Georg Stefan Troller (90):
„Georg Stefan Troller ist das Multitalent unter den Fernsehpionieren: Er hat als Autor und Dokumentarfilmer mit seinen Reportagen das Fernsehen revolutioniert. Seine lebendigen Personenbeschreibungen von feinsinnigem Sprachgefühl waren stilbildend für ganze Journalistengenerationen. Seine Portraits von bekannten und unbekannten Menschen, aber auch seine Reportagen („Pariser Journal“) sind bis heute legendär. Troller, der mit Bild und Wort meisterhaft, geradezu virtuos umzugehen versteht, hat ein Werk von zeitloser Aktualität geschaffen. Seine ebenso einfühlsame wie kritische Art der Befragung, die tiefe Einblicke ermöglicht, aber nie zu nahe tritt, dient bis heute als Vorbild.“
Zur „Redaktion des Jahres 2011“ wählte die „medium magazin“-Jury die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS):
„Die Redaktion setzt konsequent auf einen eigenen Ton am Sonntag, brilliert mit herausragenden Analysen, spielt intelligent mit Unterhaltung, macht Geld- & Wirtschaftsthemen transparent und zeigte besonders im Jahr 2011 Mut zur streitbaren politischen Auseinandersetzung. Ein stetig wachsender Markterfolg belohnt dieses Konzept, das die Redaktion auch bei Gegenwind verteidigt: Gemeinsam mit dem Mutterhaus FAZ hat die FAS gegen anfänglich erheblichen Widerstand aus der Leserschaft ihre kritische Haltung im Fall Guttenberg aufrechterhalten – aus journalistischer Überzeugung, die sich aus Fakten statt Vorurteilen speist. Das verdient hohe Anerkennung.“
Der undotierte „medium magazin“-Preis „Journalist des Jahres“ wird seit 2004 verliehen. Preisträger waren bisher u.a. Frank Schirrmacher (FAZ),, Alice Schwarzer
(„Emma“), Michael Ebert und Timm Klotzek (Neon“), der ehemalige Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender und die Autorin Carolin Emcke. Die rund 70-köpfige Jury der „Journalisten
des Jahres 2011“ besteht aus renommierten Journalisten und Medienexperten – darunter Axel Buchholz, Dieter Degler, Bernd Gäbler, Wilm Herlyn, Wolfgang Kaden, Eva Kohlrusch,
Ingrid Kolb, Claus Larass, Helmut Markwort, Maria von Welser, Jochen Wegner und Gerd Ruge – sowie jeweils aus den Vorjahrespreisträgern. Dazu gehören 2010 u.a. Sabine Adler,
Christoph Lütgert, Oliver Welke und Ranga Yogeshwar.
Die Preisverleihung an die „Journalisten des Jahres 2011“ findet statt am Montag, 30. Januar 2012 in Berlin – unterstützt von der metro group und der otto group –
Die Liste mit allen 100 gewählten „Journalisten des Jahres“ – jeweils die Top Ten in den Fachkategorien – erscheint in „medium magazin“ 1+2/2012 am 5. Januar 2012.
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Die Jury-Begründungen zu den Top-„Journalisten des Jahres“ in den Fachkategorien lauten:
1. CHEFREDAKTEUR:
Wolfgang Blau, Chefredakteur Zeit Online, nutzt seine Entscheidungsbefugnis konsequent für digitale Innovationen und zeigt auf beeindruckende Weise, wie Onlinejournalismus mit anspruchsvoller Qualität funktionieren kann. Unter seiner Führung ist Zeit Online stilbildend für andere Websites geworden: Sie steht für einen unaufgeregten, sachlichen und attraktiven Journalismus im Netz – mit publizistischem Charme, Experimentierfreude und großem Selbstbewusstsein.
2. POLITIK:
Andrea Röpke, freie Journalistin, beschwört mit ihren Texten über Rechtsextremismus in Deutschland seit Jahren die Öffentlichkeit, die Radikalisierung der braunen Szene nicht zu unterschätzen. Wie recht sie hatte, zeigte sich Ende 2011 bei der Aufdeckung einer jahrelangen Mordserie durch Rechtsradikale. Dem Thema Frauen in der Neonazi-Szene hat sie sich, zusammen mit Ihrem Kollegen Andreas Speit, schon lange intensiv gewidmet: So erschienen ihre Recherchen bereits im März 2011 auch im Buch „Mädelsache“. Ihre Hartnäckigkeit und der Mut, für ihre Recherchen immer wieder auch persönliche Gefahren in Kauf zu nehmen, sind ein Vorbild für alle Kollegen.
3. WIRTSCHAFT:
Heike Faller, Redakteurin des „Zeit-Magazins“, wirft auf das Wirtschaftsgeschehen einen besonderen Blick, der gerade im Jahr 2011 als beispielhaft gelten darf: Sie spricht nicht die Sprache der Insider, sondern nimmt die Perspektive der „Verbraucher“ ein, analysiert und erklärt aus deren Sicht Vorgänge, die für die meisten kaum mehr verständlich sind. Mit diesem Blick gelang ihr 2011 ein Lehrstück über den Wirtschaftsjournalismus: Unter dem Titel: „Finanzkrise: Musste das sein? “ analysierte sie kritisch und aufwändig recherchiert die Mechanik der Wirtschaft und der Berichterstattung.
4. KULTUR:
Willi Winkler, freier Autor („Süddeutsche Zeitung“) zeigt mit seinen Texten eins ums andere Mal, welche Tiefe und thematische Spannbreite im politischen Kulturjournalismus möglich und nötig sind. Er schreibt das große Bob Dylan-Portrait genauso wie Essays über
moderne Mobilitätskultur und schafft es immer wieder, den gesellschaftspolitischen Impetus des Feuilletons durchschimmern zu lassen. Was für ein fundierter Rechercheur in ihm steckt, bewies er 2011 auch mit seinem beindruckenden Buch „Der Schattenmann“ über den
Schweizer Bankier Francois Genoud, Strippenzieher im Hintergrund von Rechts- und Linksterrorismus.“
5. UNTERHALTUNG:
Thomas Gottschalk, Moderator des ZDF (ab 1.1.12 der ARD) hat das deutsche Fernsehen mit seinen Shows wie kein anderer geprägt: Auf dem breiten Fundament seiner journalistischen Erfahrung hat er der deutschen TV-Unterhaltung mit herausragender Kreativität, Spontanität und geistreichem Witz eine eigene Prägung geben, die sich stets bewusst den sinkenden Hemmschwellen einer „Brot & Spiele“-Industrie widersetzte. Nach dem schweren Unfall in der „Wetten dass…“-Sendung am 1. 12. 2010 hat Gottschalk zudem mit seiner Reaktion für einen selten Moment des Innehaltens in der immer sensationsheischenderen Unterhaltungsindustrie gesorgt und damit ein Nachdenken über
die Grenzen von Unterhaltung provoziert. Dafür gebührt ihm besondere Anerkennung – und auch für den Mut, nach dem erreichten Gipfel als TV-Ikone einen journalistischen Neuanfang mit einem täglichen Format in der ARD zu wagen.“
6. SPORT:
Arnd Zeigler, freier Radio- und TV-Moderator, Buchautor und Stadionsprecher, ist im besten Sinne des Wortes (fußball-)verrückt: In seiner Sendung „Zeigler wunderbare Welt des Fußballs“ aus seinem Wohnzimmer zeigt er sein Können: unterhaltsam, analytisch, satirisch
und absolut kompetent. Damit begeistert er nicht nur eingefleischte Fußballfans. Und das alles live – das trauen sich im deutschen Fernsehen nur noch sehr wenige Moderatoren.“
7. WISSENSCHAFT:
Dagmar Röhrlich, freie Autorin und Mitarbeiterin des Deutschlandfunks, hat es nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima dem Publikum – nicht nur beim Deutschlandfunk – auf herausragende Weise verstanden, dem Publikum die komplexen Vorgänge und Bedrohungslagen über Wochen und Monate sehr verständlich zu erklären. Dabei war sie weder reißerisch noch verharmlosend, was nicht vielen angesichts der dramatischen Situation gelungen ist.
8. REPORTER
Stefan Buchen, freier Journalist und Reporter des NDR, hat 2011 mit seinen Berichten über den arabischen Frühling Zeichen gesetzt: Vor dem Hintergrund seiner ausgewiesenen Kompetenz als Nahost-Experte (Buchen hat arabische Sprachen studiert, spricht Arabisch, Hebräisch und Farsi und hat in den 90ern als Korrespondent in Israel garbeitet – hat er auf besonders nachdrückliche und tiefgründige Weise die Umwälzungen in Nahen Osten erklärt – mit politischem Scharfsinn und gleichzeitig großem Respekt vor Menschen und Kulturen.
9. REGIONAL / LOKAL:
> Chefredakteur: Christian Lindner („Rhein-Zeitung“, Koblenz) hat in den vergangenen Jahren aus einer traditionellen Regionalzeitung mit einem gattungstypischen Alterungsproblem in der Leserschaft eine moderne, experimentierfreudige Multimedia- Schmiede des Lokaljournalismus gemacht, was nun in Leserschaft und Branche reife Früchte trägt. Er vereint geschickt klassische Journalistentugenden wie Recherche und Textqualität mit der digitalen Welt, engagiert sich selbst vorbildlich in Social Media und fördert
beispielhaft auch junge Talente in der Redaktion.“
> Autor/in : Christine Kröger, Chefreporterin und Leiterin des Ressorts „Recherche und Ausbildung“ des „Weserkuriers“, begreift Lokaljournalismus als investigative Herausforderung: Sie schaut hin, wenn es kein anderer tut, deckt auf, was sonst keiner sehen will. Indem sie so beharrlich misstrauisch ihre Recherchen in den kriminellen Grauzonen von Rocker- und Rechtsextremen-Szene betreibt, hat sie auch in diesem Jahr Aufklärungsarbeit allererster Güte geleistet. Ihre Geschichten sind so brisant, dass auch die Staatsmacht „Interesse“ an ihren Erkenntnissen zeigt. Ihr Mut, ihre Stärke und ihr journalistisches Verantwortungsgefühl für unsere Gesellschaft sind vorbildlich.
10.NEWCOMER:
Richard Gutjahr, freier Journalist, Blogger und Moderator des Bayrischen Rundfunk, war 2011 gleich zwei Mal als Avantgarde an vorderster Front dabei: Er bloggte live vom Tahrir-Platz in Kairo, dokumentierte mit seinem Handy multimedial die ägyptische Revolution – und zeigte als Reporter einer neuen Generation, wie mit den neuen Mediengenres gearbeitet werden kann. Zudem starte er mit der „Rundshow“ die Initiative für ein „Social TV“ samt App, dessen innovatives Konzept auch im internationalen Vergleich ambitioniert wirkt.