Was macht eigentlich Qualität im Journalismus aus? In einem Beruf wie dem unseren, aus gutem Grund ohne staatlich geregelte Zulassungsbeschränkungen, sind Qualitätsregeln schwer messbar. Und dennoch wagen wir es, ein Mal pro Jahr die besten Journalisten des Landes zu wählen – nun bereits zum fünften Mal. Das Ergebnis, das Sie auf den folgenden Seiten finden, sind Schlaglichter, die im besten Sinne erhellen: Die 100 „Journalisten des Jahres 2008″ haben in den unterschiedlichsten Weisen Kreativität, Mut, Sorgfalt und Hartnäckigkeit gezeigt – Tugenden also, die dieser Beruf dringender denn je benötigt.
Das haben in besonderem Maße Malte Arnsperger und Markus Grill im vergangenen Jahr mit ihrer langwierigen und folgenreichen Recherche über die Bespitzelung von Mitarbeitern und Kunden des Discounters Lidl vorgemacht: Es dauerte Wochen, bis die beiden „stern“-Redakteure mehr als 500 Seiten Material und Protokolle sichten und verifizieren konnten – und dass sie neben ihrer täglichen Arbeit dafür den nötigen Frei- und Zeitaum erhielten, ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Gerade bei einer solchen Geschichte geht „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, betont Markus Grill und auch das: „Der Beruf setzt eine Haltung voraus. Man muss misstrauisch sein. Man hat es ja oft mit professionellen Lügnern zu tun“ (s.a. Interview mit Markus Grill und Malte Arns-perger, Seite 24 f.). Für ihre Leistung, die zudem ein herausragendes Beispiel für eine gelungene Teamarbeit zwischen Print und Online darstellt, gebührt ihnen nach Meinung der „medium magazin“-Jury der Titel „Journalisten des Jahres 2008″.
Zugegeben, der Anspruch, aus allen Journalisten des Landes die Besten herauszufinden, scheint fast vermessen. Um der Vielfalt der journalistischen Betätigungsmöglichkeiten halbwegs gerecht zu werden, wählen wir deshalb auch die Journalisten des Jahres in zehn gleichberechtigten Fachkategorien. Zudem werden die Redaktion des Jahres gewählt und ein Sonderpreis für das „Lebenswerk“ vergeben – der für 2008 an den Großmeister der TV-Auslandsberichterstattung Gerd Ruge geht. Die Wahl selbst erfolgt in zwei Stufen: in der ersten Phase hat jeder die Möglichkeit, unter www.mediummagazin.de Nominierungsvorschläge einzureichen. Parallel dazu benennen die Mitglieder der „medium magazin“-Jury ihre Kandidaten. Die rund 60-köpfige Jury setzt sich zusammen aus renommierten Journalismus-Ausbildern, Medienjournalisten und prominente Kollegen, die mit ihrer Arbeit für eine herausragende Qualität im Journalismus stehen. Erstmals haben wir auch die Sieger der Vorjahreswahl in die Jury gebeten – und fast alle sind dieser Einladung gefolgt (die komplette Jury finden Sie auf Seite 19). Die Entscheidung fällt in Phase zwei der Wahl: Aus der umfangreichen Nominierungsliste (s.a. www.mediummagazin.de), wählen die Juroren die 100 besten Journalisten(-teams) des Jahres – mittels eines Punkte-Systems, das die Platzierung der zehn Besten der jeweiligen Kategorien ergibt.
Außer der Reihe hat die Jury für 2008 auch zwei Ehrenpreise vergeben: An Jakob Augstein – der mit seiner Entscheidung, den „Freitag“ zu übernehmen und dieser Ost-West-Stimme eine Zukunft zu geben, auf seine Weise ein Zeichen für Qualitätsjournalismus gesetzt hat. Und an Susanne Fischer, die außergewöhnlichen Mut und Einsatz zeigt, indem sie im Irak und seit 2008 auch in Syrien den Journalisten vor Ort die Prinzipien und das Handwerk einer unabhängigen Presse näherbringt.
Nahezu einstimmig fiel in diesem Jahr das Votum für Platz 1 in der Kategorie „Redaktion des Jahres“ aus: Die „Berliner Zeitung“. Auch das ein klares Statement für Qualität – und gegen eine Verrohung der unternehmerischen Sitten im Medienbetrieb. Der Preis wird bei der Feier der „Journalisten des Jahres 2008″ im Deutschen Historischen Museum Berlin am 16. Januar Mitgliedern der Redaktion übergeben und nicht wie sonst dem Chefredakteur stellvertretend für sein Team – aus gutem Grund.
Linktipp:
Die Liste aller Nominierten für die Wahl der Journalisten des Jahres 2008 ist nach der Preisverleihung am 16. Januar abrufbar unter www.mediummagazin.de
Malte Arnsperger ist „stern“-Reporter und seit August 2008 Mitglied der Reportageagentur „Zeitenspiegel“, Grill war bis Ende 2008 „stern“-Redakteur und ist seit 1. Januar beim „Spiegel“
Begründung: „Malte Arnsperger und Markus Grill haben in vorbildlicher Rechercheleistung einen skandalösen Umgang mit Datenschutz, Mitarbeitern und Kunden publik gemacht, der seinesgleichen sucht: Die Bespitzelung der Mitarbeiter und die elektronischen Überwachungsmethoden beim Discounter Lidl. Ihr Bericht bewirkte eine breite öffentliche Debatte über den Schutz von persönlichen Daten und eine Änderung der Unternehmenspraktiken von Lidl. Ihre gemeinsame Recherche ist zudem eine beispielhafte Teamleistung von Online- und Printjournalismus.
Erschienen in Ausgabe 01+02/2009 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 16 bis 16 Autor/en: Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.