13 – Redaktion des Jahres
Laudator und Jurymitglied Michael Jürgs hätte zwar gerne „ein bisschen Lütgert“ herausgeschnitten, findet die Arbeit der Reporter trotzdem vorbildlich:
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„Hunderte fest gebundener Insassen der öffentlich-rechtlichen Anstalten zerbrechen sichübers Programm die Köpfe, werden dafür angemessen bezahlt und haben zudem inden hauseigenen Kantinen Anspruch auf magenfreundliche Schonkost, falls sie wiedermal eine Idee unverdaut runterschlucken mussten, bevor sie die ausspucken konnten.Die Redaktion von »Panorama – die Reporter« hat sich Anstaltsatypisch verhalten, istsozusagen übers Kuckucksnest geflogen und hat sich sich mit ein paar alten klassischenjournalistischen Tugenden durchgesetzt. Als da wären: Haltung. Sturheit. Recherche. Lustauf Veränderung.Eigentlich müsste das, was diese Redaktion auszeichnet, verankert im Schoß derMagazin-Macher von Panorama, selbstverständlich sein für politisch relevantenFernsehjournalismus. Aber die Auszeichnung beweist, dass es eben nichtselbstverständlich ist, denn sonst müsste man diese Arbeit ja nicht als außergewöhnlichauszeichnen. Logisch. Eigentlich müsste es geradezu ein Vergnügen sein, unter denBedingungen von öffentlich-rechtlichen Anstalten zuarbeiten. Denn in den Staatsverträgensteht nichts von einer Pflicht zu Quoten, da stehen hehre Begriffe wie Pflicht zurInformation, Aufklärung, Unterhaltung. Ist aber kein Vergnügen mehr, wie alle wissen,seit das, was Quoten-Struve gesät hat, allüberall in den Fernsehgärten blüht undDokumentationen als nachtschattiges Minderheitsprogramm angesehen werden.Umso größer das Verdienst der heute zu Ehrenden. Sie haben sich nicht entmutigenlassen von den bei ihnen herrschenden Verhältnissen, sondern sich aufgemacht, dieVerhältnisse zum Tanzen zu bringen. Sie haben nie ihren Glauben verloren, dass sichändern ließe, was zu ändern ist. Konkret waren das die sturen Recherchen auf denSpuren des einstigen Rechtsauslegers Roland Scxhill, der zur Schande Hamburgs malInnensenator war, bis hin zu seinem Appartement im fernen Brasilien. Konkret war das dieAufdeckung vielfacher Ausbeutungsmethoden der Firma Kik Und zuletzt die Reportageauf den Spuren des ständigen Begleiters von Veronica Ferres, auch bekannt als CarstenMaschmeyer. Dass der mit Hilfe seiner Anwälte es auch noch wagt, nach Ausstrahlungder Sendung mit Methoden, die man aus anderen Staaten kennt, die Journalistenunter Druck zu setzen, verlangt Solidarität aller anderen Journalisten mit denen vonPanorama Reporter so wie es selbstverständlich ist, dass wir alle solidarisch mit den imIran festgehaltenen Kollegen des Springer Verlages sind. Ich hätte mir, so viel Kritik muss sein, zwar weniger Lütgert bedeutungsvoll auf der Straße über die Verderbtheit mancherGroßmächtigen murmelnd gewünscht, weil auch im Journalismus gilt, weniger ist oftmehr, und sicher hätte ich ihm das bei der Abnahme des Filmes mit guten Argumentenausgeredet, also entsprechende Passagen geschnitten, aber die grundsätzliche HaltungMächtigen unerschrocken auf Augenhöhe zu begegnen — und nun sind wir wiederbeim heutigen Preis für die beste Redaktionsleistung des Jahres — ist heute nicht mehrso selbstverständlich, womit wir wieder am Anfang sind und damit am Ende meiner Laudatio.“
1. „Panorama – die Reporter“: Christoph Lütgert, Dieter Schiffermüller
Die Begründung der Jury: „Die Redaktion von ,Panorama – die Reporter‘ zeigt zweierlei zugleich: Mit der Machart der aufwendigen Presenter-Reportage, wie moderner TV-Journalismus aussehen kann. Vor allem aber, dass intensive Recherche auch für das vom Quotendruck getriebene TV kein Tabu sein muss, sondern sich auszahlen kann, wie die Kik-Story beweist.“
Christoph Lütgert kann mit Jürgs Kritik leben und ist stolz auf sein ungewöhnlich harmonisches Reporterteam:
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2. „Der Spiegel“
„Die Dossiers der Redaktion zu den Wikileaks-Dokumenten und zu Afghanistan („Ein deutsches Verbrechen“ vom 1.2.2010), setzten Maßstäbe in der Hintergrund-Berichterstattung im deutschen Journalismus. Darüber hinaus hat es die Redaktion geschafft, in schwierigen Zeiten weiterhin in Journalismus zu investieren, sich auf das Heft zu konzentrieren und nach wie vor gute Leute einzustellen.“
3. „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“
„Die Aufbereitung des Missbrauchs-Skandals 2010 und die Erklärstücke zur Finanzkrise waren herausragend: So verbindet man Kritik mit einem Blick nach vorne. Dazu kommt die Fähigkeit der Redaktion, Themen der Gegenwart hintergründig, abwechslungsreich und auf kontinuierlich hohem Niveau zu setzen.“
„Die Aufbereitung des Missbrauchs-Skandals 2010 und die Erklärstücke zur Finanzkrise waren herausragend: So verbindet man Kritik mit einem Blick nach vorne. Dazu kommt die Fähigkeit der Redaktion, Themen der Gegenwart hintergründig, abwechslungsreich und auf kontinuierlich hohem Niveau zu setzen.“
4. „Dradio Wissen“
„Die Redaktion beweist, dass man nie genug Radio haben kann – und dass es in Zeiten des Internets möglich ist, einen neuen souveränen Sender zu entwickeln und ihm alle Möglichkeiten des neuen Mediums zu geben.“
5. „Chrismon“
„Die kontinuierlich guten Themen erschöpfen sich nicht in protestantischen Lebenswelten, sondern bieten auch Anders- und Nichtgläubigen etwas – zum Beispiel mit den ungewöhnlichen Portraits von Menschen und ihren Wegen, ihre Schicksale zu meistern, und immer wieder überraschenden Gesprächs-Konstellationen. Dieser exzellente Magazin-Journalismus jenseits des Marktschreierischen verdient gerade im Jubiläumsjahr 2010 (10 Jahre Chrismon) hohe Anerkennung.“
6. „Kulturzeit“, 3sat
„Wenn es für einen aufgeklärten Menschen einen Grund geben kann, bereits vor der Tagesschau das Fernsehgerät anzuschalten, dann ist es die Kulturzeit auf 3sat – seit 15 Jahren und erst recht in einem Jahr, da Schlingensief die Bühne räumt und Sarrazin sie erklimmt.“
7. RadioEins, RBB
„Täglich zeigen sie, dass „nur für Erwachsene“ nicht humorlos-trocken sein muss, und halten ihr Publikum mit einer Leichtigkeit auf dem Laufenden, die in dieser Tiefe sonst kein Radioprogramm erreicht.“
8. „die story“, WDR
„Der Solitär im öffentlich-rechtlichen Programm verdient zu Recht seine Preise: Nirgendwo anders werden gute TV-Dokumentationen so gepflegt wie von der Redaktion „die story“. Dafür stehen auch 2010 z.B. Beiträge wie „Karstadt – Der große Schlussverkauf“, „Unterirdisch – Der Kölner U-Bahnbau“, „Ausgeträumt – 5 Jahre Leben mit Hartz 4″, Kindersklaven“ oder „Das Milliardengeschäft der Gewinnspiel-Mafia“ – um nur ein paar Highlights 2010 zu nennen.“
9. NDR info
„Für kontinuierliche Recherchen auf höchstem Niveau ist die Redaktion bekannt – und hat ihre Qualitäten 2010 mit ihren Enthüllungen zur HSH Nordbank und zu den Kundenprofilen der Hamburger Sparkasse wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“
10. „Zeit Online“
„’Zeit Online’ ist der beste Beweis, dass im Internet auch Tiefgang seine Abnehmer findet – dank einer herausragenden Mischung aus Hintergrund und Aktualität, vorbildlicher Transparenz und nutzerfreundlichem Layout und einer Redaktion, die sich nicht von Aufgeregtheiten verführen lässt.“